Radikale Innovation gleich Nutzeninnovation!?

Radikale Innovation gleich Nutzeninnovation!?

Radikale Innovation beginnt im Kopf

Zahlreiche Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit haben eindrucksvoll gezeigt, dass die Fokussierung des Kundennutzens oftmals zu disruptiven Geschäftsmodellen führt. Insbesondere die digitale Wirtschaft orientiert sich dabei am jeweiligen Grundbedürfnis der Kunden, z.B. Musik hören, und weniger an den bereits existierenden Lösungen der bestehenden Marktteilnehmer. Dadurch entstehen radikale Innovationen, die das Kundenbedürfnis auf einem neuen Leistungsniveau erfüllen. So vollzogen Streaming-Dienste den Paradigmenwechsel von unzähligen CD’s hin zu unendlichem Musikgenuss ohne Datenträger. Kim und Mauborgne nennen dieses Vorgehen Nutzeninnovation [1], welches einer anderen strategischen Logik folgt. „Von einer Nutzeninnovation sprechen wir, weil der Fokus nicht darauf liegt, die Konkurrenz zu schlagen, sondern ihr auszuweichen – durch die Erzeugung eines Nutzengewinns für die Käufer und für das Unternehmen, sodass ein neuer, bisher von niemandem beanspruchter Markt erschlossen wird“ [1]. Vor der Erschließung neuer Märkte stellt sich jedoch die Herausforderung Nutzenpotenziale zu identifizieren. Dabei sollten sich Innovatoren bewusst sein, dass folgende Barrieren existieren:

  • Der eigene Denkrahmen: Er verhindert das Denken neuer, radikaler Leistungen, denn er spiegelt die Pfadabhängigkeit der eigenen Entwicklung wieder. Er beruht auf den Erfolgsmustern der Vergangenheit, und stellt damit eines der größten Hindernisse für die Zukunft dar.
  • Der Kundendenkrahmen: Er beruht auf etablierten Leistungskriterien und seinen Erfahrungen, welche die Kaufentscheidung beeinflussen. Innerhalb dieses Denkrahmens existieren „nur“ vergleichbare Produkte. Nur ein echter Mehrwert, der das tatsächliche Kundenproblem anspricht, kann diese Denkbarrieren durchbrechen und die Regeln des Wettbewerbs neu schreiben. So hat es Dyson geschafft das Paradigma „hohe Saugleistung für hohe Saugwirkung“ zu überwinden. Er hat das herrschende Leistungskriterium überwunden und durch einen neuen Kundennutzen „konstante Saugkraft“ substituiert [2]. Radikale Innovationen basieren daher nicht auf Kundenbefragungen. Bereits Henry Ford wusste um diese Tatsache, als er formulierte: „Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt schnellere Pferde.“ [3]

 

Nutzeninnovation – Mehrwert entsteht durch die innovative Lösung von Kundenproblemen

Woran orientieren sich Innovatoren für radikale Entwicklungsaufgaben? Sie begegnen dem Wandel mit Widerspruchsorientierung. Sie fokussieren dabei paradoxe Aufgabenstellungen, um daraus Alleinstellungsmerkmale schneller und gezielter als der Wettbewerb zu gestalten. Dadurch werden Lösungen möglich, die jenseits geglaubter Leistungsgrenzen liegen. So stellte sich Netflix der Herausforderung den Kundennutzen im Bereich des Videoverleihes radikal zu steigern

Netflix ist mit 4700 Mitarbeitern heute einer der größten global operierenden Streaming-Dienstanbieter [4]. Die 104 Mio. Mitglieder aus über 190 Ländern bescherten dem Unternehmen 2016 einen Umsatz von 8,8 Mrd. USD. „Mitglieder können Filme und Serien jederzeit, überall und mit fast jedem beliebigen internetfähigen Endgerät unbegrenzt streamen“ [5]. Diese Erfolgsgeschichte steht erst am Anfang. Denn das Ziel von Netflix ist es, das Streaming-Angebot weiter zu skalieren und auf internetfähige „Bildschirme“ auszuweiten.

Wie Netflix den Kundennutzen auf eine neue Ebene der Leistungsfähigkeit gehoben hat, und wie auch Sie die Leistungsgrenzen Ihrer Branche überwinden um radikalen Mehrwert für Ihren Kunden zu schaffen, erfahren Sie im Folgenden.

 

Radikale Innovation überwindet bestehende Leistungsgrenzen

Für die Formulierung von Widersprüchen müssen zunächst die stärksten Kundenziele herausgearbeitet werden. Dabei gilt: „Zu jedem Einerseits existiert immer ein Andererseits!“ So war der Wandel im Videoverleih zu erkennen, das die ortsgebundenen Videotheken das neue Kundenbedürfnis „nach einer bequemen Lösung, um Filme jederzeit und in größter Vielfalt genießen zu können“ nicht hinreichend bedienen können. Die Entwicklungsgeschichte dieser Branche zeigt, dass eine eindimensionale Aufgabenstellung nicht zum nachhaltigen Erfolg führt. Die Erfüllung dieses Bedarfs unter der bestehenden Branchenlogik, hätte zu längeren Öffnungszeiten und einem größeren Sortiment in der Videothek geführt. Der Kunde will Videos jedoch nicht umständlich selbst bei der Videothek abholen und wieder abgeben müssen. Dem ersten Ziel steht damit das zweite Kundenbedürfnis „ortsunabhängig Filme zu genießen“ gegenüber. An dieser Stelle würde üblicherweise der Kompromiss gesucht. Dies würde gleichzeitig bedeuten, dass der Kundennutzen nicht zu 100% erfüllt würde! Netflix setzte sich das Ziel „unendlichem Filmgenuss zu jederzeit und an jedem Ort“ anzubieten.

 

Abbildung: Widerspruch der Streaming-Dienste

 

Für die Überwindung von Leistungsgrenzen ist es nicht ausreichend lediglich die polaren Zielsetzungen herauszuarbeiten. Es ist zwingend erforderlich den logischen Zusammenhang zwischen den Zielen in Form eines verbinden Parameters zu identifizieren. So stellte die „Größe der Videothek“ zum einen die limitierende Rahmenbedingung und zum Anderen die Orientierung für zukünftige Entwicklungen dar. An diesem Punkt stellt sich die Frage nach der idealen Entwicklungsrichtung auf der Ebene des Parameters. Welcher Weg ist fortschrittlicher? Durch die Orientierung am radikal idealen Ziel (Kundennutzen), kann ein idealer Pfad für zukünftige Entwicklungen abgeleitet werden. Für Netflix und andere Streaming-Dienste war die fortschrittliche Richtung „die radikale Reduzierung der Videothekengröße“. Daraus ergab sich die paradoxe Entwicklungsforderung „unendliche Filmauswahl ohne physische Videothek zu realisieren“. Eine paradoxe Herausforderung entsteht dann, wenn ein Ziel mit der unlogischen Entwicklungsrichtung der Führungsgröße verbunden wird. So wird die Unlogik zur Logik der Innovation! Cloudbasierte On-Demand-Lösungen dominieren heute sowohl unser Konsumverhalten beim Filmgenuss als auch den disruptiven Wandel anderer Branchen.

 

Take Away

Die drei Schritte hin zu radikalem Kundennutzen:

  • Orientieren Sie sich nicht an eindimensionalen Aufgabenstellungen, sondern suchen Sie gezielt den Widerspruch. Formulieren Sie bewusst ein Spannungsfeld aus scheinbar unvereinbaren Zielrichtungen, welches die tatsächliche Kundenherausforderung darstellt. Dadurch lösen Sie sich systematisch vom Denkrahmen der Branche.
  • Innovatoren akzeptieren keine Kompromisse. Sie fordern die Synthese von Zielkonflikten, und schaffen dadurch eine überraschende Steigerung des Kundenmehrwertes.
  • Radikaler Kundennutzen ist der Kristallisationskeim disruptiver Geschäftsmodelle. Erst durch die Anpassung und Ausrichtung aller Bestandteile des Business Models können Nutzenpotenziale nachhaltig erschlossen werden.

 

 

Erfahren Sie mehr über den Ursprung des Denkrahmens und dessen Überwindung zur Gestaltung von radikalen Innovationen in unserem neuen Buch “Die Unlogik der Innovation”.

 

Autoren: Arthur Gergert, André Nijmeh

Quellen:
[1] Kim, W.C. & Mauborgne, R. (2005): Der BLAUE OZEAN als STRATEGIE – Wie man neue Märkte schafft wo es keine Konkurrenz gibt. Carl-Hanser Verlag. München. S. 12.

[2] Michler, I. (02.06.2007): Wie ein Engländer den Staubsauger revolutioniert. welt.de. (zuletzt geöffnet: 31.07.2017) https://www.welt.de/wirtschaft/article910754/Wie-ein-Englaender-den-Staubsauger-revolutioniert.html

[3] Bender, S.: Zitate und Weisheiten von Henry Ford. www.henry-ford.net. (Zuletzt geöffnet: 31.07.2017) http://www.henry-ford.net/deutsch/zitate.html

[4] Netflix (2016): Annual Report 2016. ir.netflix.com. (zuletzt geöffnet: 31.07.2017) http://files.shareholder.com/downloads/NFLX/4904353119x0x938338/FB0485BA-48EF-4457-ABED-CF26A5B21523/10K_Final.PDF

[5] Netflix (2017): Über Netflix. media.netflix.com. (zuletzt geöffnet: 31.07.2017) https://media.netflix.com/de/about-netflix

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